Gemeinnützige Bauherren können für 5 Euro/m2 Wohnraum schaffen
24. Mai 2018
Gemeinnützige Bauherren können für 5 Euro/m2 Wohnraum schaffen
sagt Andrej Holm im Interview mit der Immobilienzeitung:
Berlin. Jahrelang galt: An der Spree gibt es eine Villa zum Preis einer Münchner Dreizimmerwohnung. Das ist Geschichte. Die Mieten steigen rasant. Damit einher geht die Angst vieler Berliner um ihr Zuhause. Schuld sind schnell die „Immobilienhaie“, die aber darauf verweisen, angesichts horrender Grundstücks- und Baupreise keine billigen Wohnungen bauen zu können. Beide Seiten stehen sich immer unversöhnlicher gegenüber. Was tun, fragten wir den Sozialwissenschaftler Andrej Holm. Der 47-Jährige ist Berater der rot-rot-grünen Landesregierung.
Andrej Holm: Ja, zumindest für Haushalte mit geringen Einkommen. Leistbarkeit ist so ein Begriff, der besagt, dass niemand mehr als 30% seines Einkommens für die Miete ausgeben sollte. Bei Mietern mit höheren Einkommen klappt das meistens. Bei Geringverdienern, also nicht nur Hartz-IV-Empfängern, funktioniert das nicht. Berlin zählt 750.000 Haushalte, die unter dieser Prämisse nur 5 Euro/m2 zahlen könnten. Und diese Wohnungen gibt es nicht.
Holm: Ja, das geht nicht. Zumindest nicht unter den gegenwärtigen Bedingungen.
Holm: Eben. Ein Ausweg wäre darum, den Wohnungsbau verstärkt auf die Schultern von Institutionen zu legen, die, anders als private Investoren, kein Geld verdienen müssen. Möglich wäre die alte Gemeinnützigkeit wieder aufleben zu lassen und den Genossenschaftssektor zu stärken.
Holm: Ja, sicher. Aber eine anständige Wohnung ist doch auch ein Grundrecht und liegt in der öffentlichen Verantwortung. Eine Möglichkeit wäre darum, beim gemeinnützigen Wohnungsbau auf die Mehrwertsteuer zu verzichten, so wie der Satz für Zeitungen und Nahrung zum Beispiel reduziert ist. Keine Mehrwertsteuer spart dem Bauherrn 19%. Das ist schon fast ein Fünftel.
Holm: (lacht) Das können Sie mir ruhig glauben. Wir haben eine Wohnung zugrunde gelegt, die normalerweise eine Miete von 10,30 Euro/m2 kosten müsste, damit sie sich für den Eigentümer rechnet. Abzüglich 19% Mehrwertsteuer von den Baukosten, mit einem verbilligten, städtischen Grundstück in Erbbaupacht, 2% Eigenkapitalverzinsung plus zinsfreie Darlehen von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und gestreckten Tilgungszeiträumen kamen wir auf eine Miete von 4,98 Euro/m2.
Holm: Ohne Bretterbuden zu bauen! Bei gleichbleibenden Baustandards, bei gesetzten Baukosten, die ja nun mal sind, wie sie sind.
Holm: Durchaus. Diskutiert werden derzeit Modelle mit einer dauerhaften Eigenkapitalverzinsung von 2% bis 3%. Ich könnte mir vorstellen, dass das langfristig orientierten Versorgern und Pensionskassen ausreicht. Das Modell hätte den großen Vorteil, dass das mühsame Ringen mit privaten Investoren um die Realisierung sozialer Belange mittels städtebaulicher Verträge, kooperativer Baulandmodelle, Milieuschutzverordnungen, mietrechtlichen Daumenschrauben und so weiter wegfallen. Soziale Aufgaben sind dann Sache derjenigen, die keinem Renditedruck unterliegen. Das ist für beide Seiten viel einfacher.
Holm: Bundesweit auf jeden Fall. Da sind die Widerstände enorm. Darum wäre es gut, in Berlin so etwas wie ein kleines Labor einzurichten, um an Pilotprojekten zu beweisen, dass dauerhaft günstiger Wohnraum zu schaffen ist.
Holm: … das sag ich auch. Obwohl wir im Moment ja die paradoxe Situation haben, dass jeder teure Neubau noch eine teure Wohnung im Bestand produziert.
Holm: Naja, wenn ein Berliner in eine teure Neubauwohnung zieht, dann zieht er aus einer Bestandswohnung aus, die der Eigentümer – saniert oder nicht – teurer neu vermietet. Durch mehr Wohnungen werden die Schlangen bei den Besichtigungen zwar kürzer. Aber die Mieten sinken nicht.
Holm: Schützen, schützen, schützen. Wir müssen die Mietpreisbremse verschärfen, die Praxis der Vorkaufsrechte ausweiten, Modernisierungsumlagen wenigstens kappen, Milieuschutzgebiete großzügig ausweisen – das sind klare Signale an Investoren. Hier kannst du nicht machen, was du willst.
Holm: Genau. Wenn da dann noch Rücksicht auf individuelle Härtefälle genommen wird, können solche Modernisierungsvereinbarungen ein Modell sein.
Holm: Und gefragt sind ja nicht nur irgendwelche Wohnungen, sondern in erster Linie bezahlbare.
Holm: Ja. Einmal, weil der Boden dann nicht endgültig weg ist. Und auch, weil dieser Pachtzins ein Steuerungsinstrument sein kann.
Holm: Ein sogenannter Residualzins wird nicht vorher festgelegt durch den Finanzsenator, sondern füllt die Lücke aus, um die Zielmiete zu erreichen, sagen wir ruhig die 5 Euro/m2. Damit kann der Zins in den ersten Jahren, wenn die Refinanzierungskosten hoch sind, sehr, sehr niedrig sein oder sogar gen null gehen und dann sukzessive steigen. Das ist eine feine Sache. Sie verspricht der Stadt zu einem späteren Zeitpunkt höhere Einnahmen, ohne an der Mietschraube drehen zu müssen.
Holm: Der große gemeinnützige Sektor hat eine Marktwirkung. Die meisten Stadtteile sind durchmischt. Arm und reich wohnen Tür an Tür …
Holm: Das ist der Preis. Das muss und kann die Stadt aushalten. Auf der anderen Seite zeigt aber die Erfahrung, dass die besser Verdienenden irgendwann auch aus ihren engen Sozialwohnungen heraus möchten. Mit großen Augen habe ich auch das Fördersystem der Stadt betrachtet, das sich in erster Linie an Genossenschaften richtet. In Berlin fallen Sozialwohnungen irgendwann aus der Förderung heraus und die Eigentümer können die Wohnungen so teuer sie können vermieten. In Wien ist die Miete dauerhaft auf 4,50 Euro/m2 gedeckelt. Trotz steigender Rückstellungen, schließlich werden die Häuser immer älter und reparaturanfälliger, sinken die Mieten. Das ist schon bemerkenswert. Gut gefällt mir in Österreich auch das Modell des Widmungspreises. Das geht so: Wird Ackerland in Bauland umgewandelt, wird der Preis fixiert. In Salzburg zum Beispiel auf 265 Euro/m2. Das steht dann so im Grundbuch drin.
Holm: … klar, das Grundstück darf ja nicht teurer weiterverkauft werden. Außerdem wird dem Käufer unmissverständlich gesagt: Du kannst hier alles machen. Hauptsache es wird sozialer Wohnungsbau. Den starken Eingriff des Staates kann man als die totale Zumutung und als Knebelinstrument betrachten. Dafür spricht aber: Er wirkt.
Das Interview führte Gerda Gericke.
Quelle: Immobilien Zeitung, Urheberin: Gerda Gericke