Podiumsdiskussion: Gemeinschaftliches Bauen & Wohnen: Was bringt's der Stadt?
Foto: Thomas Puschmann
Die Sitzplätze reichten an dem Abend in der Pfeilerhalle vom GRASSI Museum nicht. Fast 150 LeipzigerInnen wollten am 6. März 2019 wissen, was Gemeinschaftliches Bauen & Wohnen der Stadt eigentlich bringt. Das NETZWERK LEIPZIGER FREIHEIT hatte breit zu einer Podiumsdiskussion mit diesem brisanten Thema eingeladen. Brisant? Die Stadt Leipzig finanziert zum einen mit dem NETZWERK LEIPZIGER FREIHEIT ein kostenfreies Beratungsinstrument für Wohnprojekte, zum anderen werden Grundstücke nicht zum Höchst-, sondern zum Fixpreis an Wohnprojektinitiativen mit guten Neubaukonzepten vergeben. Beides kostet die Stadt Geld. Beides ist, so die Auffassung vieler, die im Wohnprojektbereich tätig sind, ausbaufähig.
Warum sollte hier die Stadt stärker aktiv werden? Was geben die Projekte im Gegenzug der Stadt wieder zurück? Für die zukünftige Entwicklung der Wohnprojektkultur in Leipzig sind diese Fragestellungen von zentraler Bedeutung.
Anmoderation des Abends, Foto: Thomas Puschmann
Erfolge des gemeinschaftlichen Wohnungsbaus in Leipzig
150 Mal Wohnprojekte in Leipzig, das heißt 150 Mal in Gemeinschaft bauen und wohnen – und bedeutet rund 1.800 dauerhaft bezahlbare, nach den eigenen Vorstellungen und Lebensrealitäten gestaltete Grundrisse und Wohnungen. Dabei ist Leipziger Wohnprojektkultur in ihrer heutigen Gestalt ist noch Jung, sie geht zurück auf die 2000er Jahre: Auch ohne Millionenbeträge ließen sich für Gruppen sanierungsbedürftige Häuser erwerben, bewohnen und gestalten.
Die mittlerweile etablierten Projekte, aber auch immer neue Gruppen und Ideen sind prägende Akteure und Gegenstand des Diskurses um Wohnen, Stadtentwicklung und Urbanität. Ob in Eigentümer*innen-Mieter*innen-Kooperation, im gemeinschaftlichen Eigentum, in Form einer Genossenschaft, eines Vereins oder als Baugruppe, sie sind nicht mehr wegzudenkende Facetten des Spektrums Leipziger Wohnformen.
Neue Herausforderungen
Mit dem Wachstum der Stadt hat sich die ursprüngliche Ausgangslage allerdings deutlich geändert. Bei den heutigen, stark steigenden Immobilienpreisen schaffen es Gruppen nur noch in Ausnahmefällen Altbauten oder Baugruppen zu erwerben. War es das nun mit der Wohnprojektkultur in Leipzig? Nein! Denn das Wohnungspolitische Konzept (WoPoKo) der Stadt bietet konkrete Unterstützungsangebote für die Idee der kooperativen Bau- und Wohnprojekte. Dazu zählen unter anderem das Beratungsnetzwerk LEIPZIGER FREIHEIT und die Bereitstellung von städtischen Grundstücken an Baugemeinschaften auf Grundlage des Erbbaurechts und im Konzeptverfahren. Das Erbbraurecht ermöglicht es sowohl der Stadt, als auch privaten Grundstückseigentümer*innen, mit Eigentum vergleichbare Rechte an Pachtende zu vergeben – hierbei entfällt jedoch der einmalige Kaufpreis zugunsten eines jährlich zu entrichtenden Erbauszinses.
Konzeptverfahren zur Auswahl der kooperativen Wohnprojekte setzen sich sukzessive deutschlandweit durch. Im Wettbewerb um Liegenschaft und Baugenehmigung stehen damit Konzepte und Ideen statt Höchstpreisgebote. Auch die Stadt Leipzig bekennt sich im Rahmen des WoPoKo zu diesem Modell.
Andreas Hofer, Intendant der Internationalen Bauausstellung 2027 StadtRegion Stuttgart bei seiner Keynote, Foto: Thomas Puschmann
Die Themen des Abends
Über diese Beratungsunterstützung darf sich Leipzig freuen. Aber reicht das aus? Wie groß ist das Interesse der Stadt, stärker in die Wohnprojektkultur zu investieren? Öffnen sich die bestehenden Strukturen für die Anliegen und Möglichkeiten der kooperativen Ideen? Und welche Impulse gehen im Gegenzug von Baugemeinschaften und jungen Genossenschaften aus?
In der Diskussion mit Expert*innen aus Zürich, Stuttgart, Hamburg, München und Leipzig wurden am 6. März 2019 Ideen und Fallbeispiele zusammengetragen und sowohl auf dem Podium als auch mit dem interessierten Teilnehmenden diskutiert. Im Ergebnis konnten sowohl die obenstehenden Fragen angegangen, als auch Anstöße für mögliche Entwicklungspotentiale und politische Instrumente zur Förderung der kooperativen Idee gesammelt werden. Diese werden im Folgenden dargelegt, anhand der spezifischen Projekte erläutert und daraus resultierende Impulse für das Netzwerk LEIPZIGER FREIHEIT, die Kommunale Politik und städtische Verwaltung in Bezug auf aktuelle und zukünftige Entwicklungen in Leipzig herausgearbeitet.